„Einige Künstler betrachten die KI als Partner und sehen in ihrer kreativen Zusammenarbeit neue Möglichkeiten. Andere sehen die KI als eine Bedrohung für die menschliche Kreativität oder gar als eine Entwertung der Kunst durch maschinelle Produktion.“
Die Zukunft der Kreativität: Generative KI revolutioniert die Kunst
Neulich, im Nachgespräch einer meiner Wohnzimmerlesungen zum Thema KI, sprachen wir über die kommenden Zeiten, in denen die künstliche Intelligenz alles besser können wird als wir Menschen. Ich äußerte meine Sorge, dass Kunstschaffende bald keinen Antrieb mehr haben werden, sich künstlerisch zu betätigen. Warum sollte man sich noch abmühen, wenn KI alles schneller und besser erledigt? Ich sprach als Beispiel die Musik an, übersah aber, dass mehrere leidenschaftliche Bandmusiker anwesend waren. Dementsprechend umgehend erhielt ich Widerspruch: „Wir machen Musik für uns selbst“, hieß es. „Wir machen Musik, weil es uns Spaß macht, Musik zu machen.“ Dagegen konnte ich nichts einwenden, ich musste deutlich zurückrudern. Doch so richtig ausräumen konnte dieser Einwand meine Sorge nicht. Ich fürchte, ich muss mich etwas ausführlicher mit dieser Frage auseinandersetzen.
Warum machen Menschen Musik? Dies ist eine andere Frage als: Warum hören Menschen Musik? Dennoch gehören beide Fragen zusammen. Schwer zu beurteilen ist, was zuerst da war: Musik machen oder Musik hören? Ich glaube, es verhält sich wie bei der Frage nach Henne und Ei: Es ist nicht zu beantworten. Natürlich haben die ersten Menschen die Klänge der Natur gehört, das Rauschen des Windes, das Plätschern des Wassers, die Schreie der Tiere, den Gesang der Vögel. Doch letztlich waren sie selbst Tiere, die immer schon Laute erzeugt haben, sowohl aus der Kehle als auch durch Gegenstände. Vor dem Sprechen existierte vielleicht schon das Singen und das Trommeln, oder es hat sich gleichzeitig entwickelt. Tatsache ist: die indigensten der indigenen Völker singen, trommeln oder machen sonst wie Musik. Musik ist tief in der menschlichen Gesellschaft verankert.
Aber wozu dient die Musik dem Menschen? Ich fürchte, dies hier zu behandeln, würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen. Festhalten können wir aber sicher, dass Musik den meisten Menschen einfach Freude bereitet – wenn es sich nicht gerade um Schlager handelt ;-) Die Motivation, Musik zu hören, ist sicher der Spaß daran. Und damit ist auch die Frage nach dem Musikmachen beantwortet: Die Menschen machen Musik, um Musik hören zu können. Somit sind Musikanten Dienstleister, die aber sicherlich ihre besten Kunden sind. Das ist so bei den indigenen Völkern wie auch bei modernen Stadionkonzerten.
Schon in frühesten Zeiten wurde Hausmusik gemacht. Menschen kamen zusammen, einige spielten Instrumente, alle haben gesungen und hatten Freude daran. Auf Bällen wurde weniger gesungen, dafür aber getanzt. Immer aber gab es eine mehr oder weniger kleine Gruppe begabter Menschen, die die Macher der Musik waren. Sie beherrschten Instrumente, was die anderen nicht konnten. Sie leiteten das Musikevent. Sie hatten die Macht über die Musik. Und sie waren immer schon bewunderte Menschen. Nicht umsonst erhöht schon ein Gitarrenkoffer die Chancen bei der Partnerwahl (Studie 2013). Und damit komme ich nun endlich zum Kern: Potenzielle Bewunderung erzeugt Ehrgeiz.
Das Teilwort „Geiz“ ist hier mit „Gier“ gleichzusetzen. Ehrgeiz beschreibt die Gier nach Ehre, das starke Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung. Die Musik, die Kunst allgemein, ist ein möglicher Weg, diese Bewunderung zu erhalten. Künstlerinnen und Künstler umgibt seit jeher eine spannende Aura. Der exzentrische Maler, die freakige Sängerin, der schratige Schriftsteller – sie alle haben das Potenzial, nicht-könnende Menschen zu beeindrucken und damit erfolgreich zu sein. Und weil das alle Menschen spüren, haben solche mit künstlerischem Potenzial schnell den Ehrgeiz, Kunst zu schaffen.
Deutlich wurde mir das heute im Zug. Eine Frau drängte allen Mitreisenden ihr Telefongespräch auf. Sie erzählte von ihrer Patentochter, die neulich irgendwo Karaoke gesungen hat. „Die kann singen!“, schwärmte die Telefonierende, und dann: „Die hat echt Potenzial!“ Dieser Nachsatz zeigt mir, dass das Singen allein nur eine kleine Bedeutung hat. Es ist der Erfolg, der zählt, zumindest das Potenzial für den Erfolg. Ich weiß natürlich nicht, was jene Patentochter dazu sagen würde. Vielleicht sagt sie: „Also ich singe einfach nur zum Spaß.“ Vielleicht aber gehört sie zu den vielen jungen Mädchen, die ihre Idole nachahmen und versuchen, genau so zu singen wie sie (während die Jungen es mit Rappen versuchen). Um irgendwann selbst ein solches Idol zu werden. Vielleicht ist es also doch nicht so sehr die reine Freude am Singen, wie sie behauptet, sondern eher der Ehrgeiz, Menschen zu beeindrucken.
Lehne ich mich hier zu weit aus dem Fenster? Ja, vielleicht. Da ich das Gegenteil nicht beweisen kann, muss ich wohl akzeptieren, dass die reine Freude an der Kunst Kunst hervorbringen kann. Aber wenn ich an bekannte Künstlerinnen und Künstler denke, zweifle ich, dass diese Freude alles ist, was sie antreibt. Aber vielleicht bleibe ich sicherheitshalber bei mir selbst: Früher habe ich viel getrommelt. Das Schlagzeug war meine Leidenschaft. Dieses Instrument hat mir einfach Spaß gemacht. Es hat auch Spaß gemacht, immer besser zu werden, heute Dinge trommeln zu können, die ich gestern noch nicht konnte. Dies beflügelte meinen Ehrgeiz. Und ganz sicher war die Aussicht, irgendwann auf einer Bühne zu trommeln, eine wichtige Triebfeder für meinen Ehrgeiz. Und wie ist es heute mit meinem Schreiben? Zu Beginn habe ich sicher nur für mich selbst geschrieben, aus Spaß, damals, als ich keine Ahnung hatte, ob irgendjemandem gefallen würde, was ich schrieb. Doch sehr bald hatte ich die Aussicht, etwas zu veröffentlichen oder gar einen Preis zu gewinnen. Wofür sollte geschriebene Sprache auch sonst dienen, als sich damit anderen mitzuteilen und sie zu beeindrucken (sonst wird man ja auch nicht gelesen). Genauso verhält es sich mit meinen grafischen Eskapaden. Natürlich hatte ich zunächst nur reine Freude an den schönen, nerdigen Bildchen, die ich auf T-Shirts bannen konnte. Aber warum nicht andere Menschen damit begeistern (was dann nur sehr verhalten gelang)? Musik, Literatur, Grafik – Antrieb für jede dieser drei Künste war für mich nicht unerheblich der Wunsch zur Veröffentlichung. Ehrgeiz eben.
Doch was geschieht mit diesem Ehrgeiz, wenn keine Chance mehr besteht, jemanden zu beeindrucken? Was, wenn die künstlerische Konkurrenz so erdrückend ist, dass man nicht mehr wahrgenommen wird? Werden Menschen dann zur Höchstform auflaufen? Oder werden sie entmutigt das Handtuch werfen? Ich bin Pessimist, ich glaube letzteres.
„Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die KI in der Kunst nicht als Ersatz für den menschlichen Künstler betrachtet werden sollte, […] letztendlich ist es der menschliche Geist, der die endgültige künstlerische Entscheidung trifft.“
Die Zukunft der Kreativität: Generative KI revolutioniert die Kunst
Die künstliche Intelligenz wird den Kunstmarkt revolutionieren. In dem hier verlinkten und ganz oben bereits zitierten Artikel wird prominent auf diese Kunstformen eingegangen (Musik, Literatur, Grafik). Auch das Zitat in diesem Absatz hier stammt aus diesem Artikel. Und so spannend ich es finde, so sehr widerspreche ich an dieser Stelle. Immer wieder hört man diese Aussage, auch in Bezug auf andere Aspekte, etwa: „KI kann Ärzte nicht ersetzen“ oder „Lehrer werden von KI nicht ersetzt“ u.v.a.m. Aber stimmt das? Die Argumente zielen meist in die eine Richtung: Dass KI nicht fähig ist zu Kreativität, menschlicher Interaktion, Empathie oder Entscheidungsfähigkeit. Ich finde viele dieser Argumentationen fadenscheinig, da all diese Fähigkeiten vielleicht noch nicht vorhanden sind und meist auf dem heutigen Stand der Technik argumentiert wird. Kaum jemand scheint einmal zehn oder zwanzig Jahre vorauszudenken. Gleichzeitig wird der menschliche Geist noch immer ungerechtfertigterweise ins Mystische überhöht. So wird etwa verkannt, dass die menschliche Kreativität sich kaum von der Arbeitsweise mancher neuronaler Netzwerke unterscheidet. Auf dieser Kunstseite wird es dagegen eingeräumt:
„Es wird deutlich, dass die kreative Schaffensweise eines Menschen gar nicht so verschieden ist von der Funktionsweise von KNNs, Deep Learning, Machine Learning und Generativer KI. Kein kreativer Mensch erfindet etwas völlig Neues aus dem Nichts.“
Warum künstliche Intelligenz (KI) menschliche Künstler (noch) nicht ersetzen kann
KI ist schon so weit fortgeschritten und entwickelt sich so schnell weiter, dass all die heute noch ausgeschlossenen Fähigkeiten früher existieren können, als wir denken. Dass Computer einmal Schachgroßmeister besiegen könnten, hat früher auch kaum jemand für möglich gehalten (oder heute, dass KI uns zu Großmeistern macht).
KI wird alles können, was der Mensch kann, und zwar besser als der Mensch.
Das gebe ich aus voller Überzeugung zu bedenken. Und daher noch einmal die Frage:
Was geschieht mit menschlichem Ehrgeiz, wenn der Mensch chancenlos ist?
Insbesondere zielt meine Frage auf zukünftige Kinder und Jugendliche ab. Wozu werden sie noch richtig Ehrgeiz entwickeln können? Woher nehmen sie eine berechtigte Hoffnung, beruflich später einmal wichtige Arbeit leisten zu können, die auch wirklich gebraucht wird und unersetzbar ist? An welchen Stellen werden junge Menschen spüren können, dass sich heutige Anstrengung einmal auszahlen wird?
Ich denke an die These, dass sich Geschwisterkinder immer die Nische in der Familie suchen, die noch nicht besetzt ist. Diese These ist nicht unumstritten, aber erst recht nicht ganz von der Hand zu weisen. Kinder suchen die Anerkennung (der Eltern) und spüren, dass sie dafür etwas gut können sollten. Wenn aber die große Schwester bereits das Sport-Ass ist, hat der kleine Bruder keine Chance in diesem Bereich, jedenfalls nicht auf überschwängliche Aufmerksamkeit; die Bewunderung durch die Eltern für seine Leistungen wird sich immer in Grenzen halten; die Schwester überflügeln wird er niemals (na ja, vielleicht mit 35). Um herauszustechen, sucht sich das kleine Geschwisterchen also ein Faible, das in der Familie unbesetzt ist, etwa die Liebe zu Büchern oder zur Mathematik. Die Anerkennung der Eltern ist ihm somit sicher, selbst bei durchschnittlichen Leistungen.
Die künstliche Intelligenz aber besetzt bald jede Nische. Das ist zumindest meine These auf diesen Seiten. Für den Menschen wird nichts bleiben, wo er sich profilieren kann. Das werden auch die Kinder spüren. Und daher äußere ich hier meine Sorge, meine Überzeugung, dass Kinder der nahen Zukunft immer weniger Anreize haben werden, ehrgeizig zu sein. Es wird einfach keine Ehre mehr geben, die sie sich verdienen könnten. Von außen jedenfalls, aus der Gesellschaft heraus, werden Kinder keinen Motivationsschub mehr erhalten. Was noch bleiben wird sind Ziele, die für Kinder unendlich weit entfernt sind, wie etwa KI-Ingenieur oder KI-Ingenieurin zu werden. Doch seien wir ehrlich: Künstliche neuronale Netze werden zukünftig die fähigsten KI-Ingenieure oder KI-Ingenieurinnen stellen.
Also was bleibt noch an Motivation, etwas zu lernen, an Antrieb für den Ehrgeiz? Lediglich die innere Motivation, also etwa das, was ich ganz oben als „Spaß an der Musik“ behandelt habe und auf das mich jener Musiker aufmerksam machte. Ja, Menschen werden weiterhin Spaß am Musikmachen haben. Kinder werden auch weiterhin noch Instrumente lernen, aber wie lange und wie intensiv? Wie weit reicht innere Motivation? Auf welches Ziel hin könnte sie einen jungen Menschen ausreichend stärken? Wen könnte man noch beeindrucken? Nur sich selbst? In welchen Bereichen wird es demnächst noch richtig fähige Menschen geben?
Als Pessimist (oder Realist?) habe ich kein gutes Gefühl:
Ich sehe menschlichen Ehrgeiz in Gefahr. Innere Motivation reicht in meinen Augen nicht aus, um einen Ehrgeiz zu entwickeln, der lang genug anhält, um etwas Kompliziertes wirklich zu durchdringen oder etwas Anspruchsvolles umfassend zu erlernen. Die Technologie wird uns Menschen überflügeln, und zwar in allen Lebensbereichen, vielleicht sogar schneller, als wir denken. Heute ist das noch schwer vorstellbar und wird auch immer wieder geleugnet, ich aber bin davon überzeugt.
Meine Ansicht ist provokativ. Und sie ist hypothetisch, denn noch gibt es keine Androiden, die schneller laufen als Menschen, und die wenigsten Berufe sind aktuell von KI bedroht. Darüber hinaus gibt es auch Äußerungen, die die innere Motivation deutlich höher gewichten als ich (z.B. in dem Artikel Ehrgeiz: Das innere Feuer ist wichtiger als Intelligenz). Somit könnte es auch sein, dass Menschen sich neue Nischen suchen, die vielleicht wirklich der KI vorenthalten bleiben (ich kann mir allerdings keine vorstellen). Oder sie bilden eine Subkultur: Als relativ dumme Menschen lassen sie sich von deutlich fähigeren Robotern bedienen. Im wunderschönen Pixar-Kinofilm WALL·E – der Letzte räumt die Erde auf ist dieses Szenario allerdings nicht so positiv dargestellt.
Vorerst bleibt bei mir die Vermutung, dass menschliches Lernen schwerer werden wird, weil ein Großteil der Motivation wegfällt (durch Chancenlosigkeit). Aber was wird aus den Menschen, wenn ihnen ein Stück Ehrgeiz abhandenkommt? Ich sehe den Weg vorgezeichnet, dass kommende Generationen wesentlich weniger hochwertige Kompetenzen erwerben werden als bisher. Das halte ich nicht nur für traurig, sondern problematisch für die Spezies.
Wer irgendetwas aufbieten kann, das diese Sorgen mildern kann, lasse mir gerne einen Kommentar hier auf der Seite.
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