Was ist künstliche Intelligenz?

„Künstliche Intelligenz: Geschaffen, um die Menschheit zu übertreffen, während die Menschen versuchen, sie in ihren eigenen Grenzen zu halten.“

erfunden von ChatGPT

„KI ermöglicht es technischen Systemen, […] Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der Computer empfängt Daten […], verarbeitet sie und reagiert.
KI-Systeme sind in der Lage, ihr Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten.“

Artikel der Europäischen Union vom 14.09.2020

Im vorangehenden Kapitel über die Intelligenz (Was ist Intelligenz?) habe ich eine Definition von Intelligenz gewagt. Das macht es mir einfach, die Frage nach der künstlichen Intelligenz zu beantworten. Künstliche Intelligenz ist eben künstliche Intelligenz, also von Menschen künstlich in Maschinen integrierte Intelligenz. Punkt. Eigentlich könnte ich hier bereits fertig sein mit diesem Kapitel. Eigentlich. Aber ich will mal nicht so sein. Doch auch hier gilt: Wem es zu langweilig wird, der oder die kann direkt zu meinem persönlichen Fazit springen.

Back to the 90s

Wie bereits Intelligenz ist auch der Begriff künstliche Intelligenz nicht sehr klar definiert. Unterschiedliche Personen benutzen ihn in unterschiedlicher Weise. Für ein Beispiel gehe ich zurück in die 90er Jahre, ins Windows-95-Zeitalter. Damals habe ich u.a. zwei Bildschirmschoner programmiert, xWorm und Live'n Die, die ich als Freeware auf meiner Website angeboten habe; sie sind heute noch aus nostalgischen Gründen auf jener Website zu sehen. Bei xWorm erscheinen kleine, farbige Würmer und fressen nach und nach den Bildschirminhalt auf. Dabei orientieren sie sich an den jeweils hellsten Bildbereichen, diese werden zuerst gefressen. So wandern die Würmchen sehr zielgerichtet über den Bildschirm, bis er völlig schwarz, also leergefressen ist. Dann beginnen sie, sich gegenseitig zu jagen. Live ’n Die dagegen war eine bunte, aufgepeppte Version von Conway’s Game of Life.

xWorm
xWorm
Live ’n Die
Live ’n Die
KI-Label
KI-Label

Ein Freund von mir sagte damals: „Das ist künstliche Intelligenz. Du solltest das auch so bewerben.“ Ich widersprach ihm und meinte, es seien lediglich Computerprogramme wie alle anderen auch. Er aber blieb bei seiner Ansicht und brachte mich dazu, ein kleines Grafik-Label auf die Seite zu setzen, das meine Bildschirmschoner als künstliche Intelligenz kennzeichnete. Einige Monate später entfernte ich das Label wieder, denn es waren wirklich nur Computerprogramme wie alle anderen auch. Die einzige Intelligenz, die in ihnen steckte, war meine eigene, ein Algorithmus, den ich erdacht hatte und der sehr stur vor sich hin lief, so wie ich mir das vorgestellt hatte. Glücklicherweise, möchte ich ergänzen ;-) Aber was ist überhaupt ein Algorithmus?

Algorithmus

Das Wort Algorithmus geht zurück auf den arabischen Mathematik-Gelehrten Muḥammad Ibn-Mūsā al-H̱wārizmī, der maßgeblich zur Verbreitung des indisch-arabischen Zahlensystems beitrug und schriftliche Rechenvorschriften entwarf. Durch die Übersetzung seines Namens ins Lateinische entstand das Wort Algorismi, das sich dann in Algorithmus weiterentwickelte.

Ein Algorithmus ist eine Vorgabe für ein System, was wann geschehen soll. Es spielt in der Informatik eine zentrale Rolle, weil Computerprogramme lediglich Algorithmen abarbeiten, die in einer der vielen Programmiersprachen niedergeschrieben sind. Charakteristisch für Algorithmen ist, dass für jeden Arbeitsschritt ein Folgeschritt fest definiert ist. Ein zentrales Element ist dabei die Verzweigung, also eine wenn-dann- oder if-then-Vorschrift, die eine Reaktion auf bestimmte Situationen (z.B. je nach Ergebnis des vorangehenden Schrittes) ermöglicht. Auf diese Weise können verschiedene Eingabedaten jeweils auf die ihnen entsprechende Art weiterverarbeitet werden. Alle möglichen Situationen müssen bereits während des Programmiervorganges(!) bedacht und programmiert (entschieden) werden. Ein Programm, das „schlau“ zu arbeiten scheint, tut dies nur aufgrund der „Schläue“ seiner Programmiererin oder seines Programmierers. Dieser Person ist es dann offensichtlich gelungen, weit genug vorauszudenken und bereits im Vorfeld auf abstrakter Ebene alle nötigen Entscheidungen für alle möglichen Situationen oder Eingabedaten zu fällen. Umgekehrt stürzen Programme auch gerne mal ab, wenn verschiedene Zustände eben nicht bedacht worden sind. Erhält ein Programm unvorhergesehene Daten, unvorhergesehen für die programmierende Person, dann handelt es so, wie es eigentlich für eine andere Situation vorgesehen ist (weil eben falsch verzweigt und entschieden wird) – was in einer Katastrophe enden kann, die Rakete also abstürzt.

Noch einmal für die Deutlichkeit: Ein Algorithmus in der IT zeichnet sich durch absolute Sturheit aus. Er macht Dienst nach Vorschrift, mehr nicht. Niemals verzeiht er einen Fehler, er bemerkt ihn ja auch gar nicht. Zwar kann er durch wenn-dann-Anweisungen vielfältige Eingabedaten abhandeln, aber nur, wenn jedes einzelne Wenn vom programmierenden Menschen berücksichtigt wurde. So auch bei meinen Würmern auf dem Bildschirm: Es war meine Aufgabe, auf jede Eventualität, jedes Bildschirmformat und jedes angezeigte und zu zerfressende Bild ein sinnvolles Vorgehen zu programmieren. Im Vorfeld und ziemlich abstrakt. Das ist intelligent. Meine Würmchen sind es nicht!

An dieser Stelle sind wir wieder bei derselben Frage, die ich schon im vorigen Kapitel gestellt habe: Ist die Fähigkeit der Pflanze, sich aktiv nach dem Licht auszurichten, bereits Intelligenz? Ich habe diese Frage verneint, da dieser Vorgang (nach meiner Kenntnis) ein rein biochemischer Prozess ist (den ich allerdings nicht annähernd verstehe). Der physiologische Aufbau der Pflanze scheint mir wie ein Algorithmus zu sein, der vorgibt, was wann geschehen soll. Klassische Computerprogramme sind es ebenso. Aber was macht ein Programm denn nun zur künstlichen Intelligenz?

KI und ihr Algorithmus

Künstliche Intelligenzen sind auch Algorithmen. Auch sie folgen stur einem vorgegebenen Pfad (und können dabei abstürzen). Es gibt aber einen Unterschied: Die für das konkret zu lösende Problem maßgeblichen wenn-dann-Verzweigungen werden nicht im Vorfeld entschieden. Stattdessen erhält das Programm einen Pool an Entscheidungen und ihren Folgen, wie sie in der Vergangenheit mal mit konkreten Eingabedaten vollzogen wurden. Ist dieser Erfahrungs-Pool noch leer, dann entscheidet die Maschine völlig zufällig, wenn es neue Eingabedaten erhält. Auch dies führt natürlich zu einem Ergebnis, einem guten oder einem schlechten (nach bestimmten Kriterien beurteilt). Dieser Versuch und seine Bewertung (gut oder schlecht) werden dann als erster Datensatz in dem Pool vermerkt. Beim nächsten Versuch mit neuen Eingabedaten steht somit schon ein Erfahrungswert aus der Vergangenheit zu Verfügung. Mit diesem kann das Programm nun die aktuellen Eingabedaten vergleichen (anhand vorprogrammierter Kriterien). Bei nur einem Element im Pool werden sich kaum Gemeinsamkeiten der beiden Versuche ergeben, somit ist die Maschine wieder auf sich allein gestellt und handelt wieder zufällig. Wieder wird das Ergebnis im Erfahrungs-Pool festgehalten – und schon sind es zwei Erfahrungen. Auf diese Weise wächst der Pool kontinuierlich, und irgendwann findet der Algorithmus tatsächlich eine gewisse (sicher nicht perfekte) Ähnlichkeit der aktuellen Eingabedaten mit denen eines vergangenen Versuchs. Jetzt hat er endlich einen Anhaltspunkt, wie es sinnvoll handeln kann, denn das Ergebnis des Vorversuchs wurde ja mit festgehalten. Anhand dieses vergangenen Ergebnisses entscheidet das Programm nun, ob es ähnlich handelt wie damals (bei einem guten Ergebnis) oder besser mal was Neues ausprobiert (bei einem schlechten Ergebnis). Auch dieser Versuch ergibt dann wieder ein wie auch immer geartetes Ergebnis und der Pool wächst erneut. Und iiirgendwann findet das Programm für fast alle möglichen Eingabedaten irgendwo im Pool eine Ähnlichkeit, die seine Entscheidung bestimmt. Das Programm hat gelernt. Es wurde trainiert.

Dies ist – ganz grob und äußerst vereinfacht – ein Prinzip, wie eine KI funktionieren kann. In jedem Erfahrungs-Pool-Datensatz werden bestimmte Eigenschaften der vergangenen Eingabedaten gespeichert, daneben die vergangene Entscheidung und das zugehörige Endergebnis. Letzteres muss nicht einfach richtig oder falsch, gut oder schlecht sein, es kann auch in beliebig feinen Abstufungen ermittelt werden. Bei jedem neuen Durchlauf sucht das Programm auch nicht nur nach einem einzigen Pool-Datensatz, sondern zieht viele oder gar alle für die Einschätzung heran. Je ähnlicher die Eingabedaten, desto größer wird der Einfluss auf die aktuelle Entscheidung sein. Grundsätzlich aber stehen alle vergangenen Erfahrungen zur Verfügung.

Und genau hierin liegt die große Stärke dieses Vorgehens: Je größer der Erfahrungs-Pool, desto besser kann die Maschine entscheiden. Und wenn Computer eines können, dann ist es das Speichern und wieder Hervorholen von großen, sehr großen Datenmengen, und das in rasender Geschwindigkeit. Das Speichern von Erfahrungen und das zielgerichtete Zurückgreifen darauf ist ein zentrales Merkmal von Intelligenz – und damit auch von künstlicher Intelligenz. Dass KI trainiert werden muss, um seinen Erfahrungs-Pool aufzubauen und dann gute Ergebnisse zu liefern, hat sie mit natürlicher Intelligenz gemeinsam.

Fliegen lernen

Vor einigen Jahrzehnten gab es ein Forschungsprojekt, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß. Es ist mir nicht gelungen, dieses Projekt zu recherchieren (für Hinweise bin ich sehr dankbar), so schreibe ich hier aus dem Gedächtnis heraus. Damals wurde berichtet, dass in einem Computerprogramm ein virtueller (programmierter) Pilot ins Cockpit eines ebenso virtuellen Flugzeugs gesetzt wurde. Ihm wurde die Fähigkeit anprogrammiert, die Knöpfe und Hebel der Maschine zu bedienen. Allerdings „wusste“ er nicht ansatzweise, was sie bewirken. Das Flugzeug befand sich in großer Höhe und wurde dort mit einer gewissen Geschwindigkeit „losgelassen“. Wie erwähnt hatte der Pilot keine Ahnung vom Fliegen, wusste aber eines: Es sollte/wollte möglichst lange überleben.

Flugzeug-Cockpit
©Grayboy58/pixabay.com

Bei den ersten Durchläufen hat der Pilot rein zufällig die Hebel bedient und – ist natürlich sofort abgestürzt. Seine Aktivitäten zu jedem Zeitpunkt des kurzen Fluges wurden aber protokolliert und zusammen mit der Flugdauer (als Maß für den Erfolg des Versuchs) in einem Erfahrungs-Pool gespeichert. Dies geschah unzählige Male. Bei jedem Versuch hat er auf seine vergangenen Flugdaten zurückgegriffen, um das Gut oder Schlecht seiner vergangenen Aktionen zu beurteilen und dieses „Wissen“ in sein aktuelles Handeln einfließen zu lassen. So war er in der Lage, seine Flugdauer immer weiter auszudehnen. Und irgendwann konnte er fliegen! Physikalische Grundlagen oder Kenntnisse über sein Flugzeug hat er dabei nie erworben. Er wusste einfach nur, welche Hebel er in welchem Moment wie bewegen musste. Eigentlich war er immer noch dumm, was das Fliegen angeht, und doch konnte er fliegen.

Wäre das Experiment nicht nur eine Simulation gewesen, hätte man also einen Roboter in ein reales Flugzeug gesetzt und losgelassen (tausende Male), dann hätten sogar die Programmierer des Roboters kein physikalisches Hintergrundwissen oder Einblicke in den Flugzeugbau haben müssen. Das ist interessant, denn das bedeutet, dass man auf diese Weise – anders als noch bei meinen Würmern auf dem Bildschirm – Lösungen programmieren kann, von denen man nicht die geringste Ahnung hat.

Machine Learning

Die in den voranstehenden beiden Absätzen dargestellten lernenden Algorithmen sind sehr einfach und unkonkret gehalten und sehr laienhaft dargestellt. Verdeutlichen sollen sie aber das Prinzip, dass Programme aus Daten lernen können, dass sie sich „Wissen“ aneignen und ihr zukünftiges Verhalten daran ausrichten können. Wie genau sie das tun, werde ich hier nicht behandeln. Das geschieht zur Genüge an anderen Stellen. Das große Konzept des maschinellen Lernens ist heute eine anspruchsvolle Disziplin in der Informatik und bietet verschiedenste Ansätze. Ziel ist immer, Probleme lösen zu können, ohne die Regeln des zugrundeliegenden Systems zu kennen (also Fliegen, ohne die Physik des Fliegens zu kennen). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich diese unbekannten Regeln in großen Datenmengen verstecken und beim Betrachten all dieser Daten erkannt werden können – erkannt im Sinne von anwendbar sein, nicht im Sinne von verstehen!

Bei maschinellem Lernen müssen Daten miteinander in Beziehung gesetzt werden, um Entscheidungskriterien zu gewinnen. Das bringt die Notwendigkeit mit sich, diese Daten aufzubereiten. Es muss eine sinnvolle Methode, ein sinnvolles Modell gefunden werden, um diese Daten zu speichern und schnell darauf zugreifen zu können. Außerdem sollen gefundene Regeln auch von Menschen überprüft und nachvollzogen werden können, was auch eine Aufbereitung erfordert. Viel Know-How steckt in dieser Vorarbeit, menschliche Intelligenz möchte ich sagen.

Und noch etwas scheint mir erwähnenswert: Für eine anstehende Entscheidungssituation findet ein Programm in seinem Erfahrungs-Pool selten einen Datensatz mit exakt denselben Eigenschaften. Daten stimmen immer nur bedingt überein, zu verschiedenen Prozentsätzen könnte man sagen. Dementsprechend ist auch eine Handlungsanweisung nie absolut gut oder schlecht, sondern immer nur zu einem gewissen Prozentsatz oder, anders ausgedrückt, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit. Somit sind Verfahren des maschinellen Lernens immer statistische Verfahren, die nie exakt funktionieren, sondern immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – die bei großen Datenmengen allerdings sehr hoch liegen kann. Wer sich also wundert, dass ChatGPT gerne mal etwas Falsches behauptet, der muss sich klarmachen, dass auch die Antworten dieses ChatBots stets auf Wahrscheinlichkeiten beruhen und nie auf exaktem Wissen.

Neuronale Netze

Einen besonderen Bereich des maschinellen Lernens möchte ich hervorheben: die künstlichen neuronalen Netze. Sie arbeiten besonders gut in Bereichen der Bild- und Spracherkennung. Bei der Bilderkennung erhalten sie etwa die Pixel eines Bildes als Eingangsignale und liefern an ihrem Ausgang Signale, die eine Entscheidung repräsentieren. Das können z.B. zwei Ausgänge sein, die darstellen, ob auf einem Bild ein Apfel zu sehen ist oder eine Birne. Wie bei maschinellem Lernen üblich, stellt auch diese Ausgabe keine absolute Aussage dar, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit, mit der ein Apfel oder eine Birne erkannt wurde.

Künstliche neuronale Netze sind unserem Gehirn nachempfunden. In Gehirnen arbeiten Neuronen. Das sind spezielle Zellen, die miteinander verbunden sind und untereinander Informationen austauschen. Diese riesigen Netze bilden die Grundlage unseres Denkens und Handelns. Im menschlichen Gehirn befinden sich knapp 90 Milliarden Neuronen, die jeweils mit bis zu tausend anderen Neuronen verbunden sind. Das Prinzip dieser Struktur und Funktionalität kann virtuell in Programmen nachgebildet werden – auf sehr mathematische Art.

Üblich (aber lange nicht allgemeingültig) ist der folgende Aufbau in mehreren Neuronen-Schichten: Die erste Schicht (Eingabeschicht) erhält die Eingabewerte als Input, die letzte Schicht (Ausgabeschicht) liefert die Ausgabewerte. Dazwischen liegen eine oder mehrere Schichten. Jede von ihnen erhält als Input die Ausgänge der jeweils vorangehenden Schicht, ihre Ausgänge wiederum „füttern“ die nachfolgende Schicht. Eingabe- und Ausgabeschicht werden sehr speziell an das zu lösende Problem angepasst, da sie eine bestimmte Zahl an Eingabesignalen aufnehmen bzw. eine bestimmte Zahl an Ausgabesignalen liefern müssen. In den mittleren Schichten befindet sich das eigentliche Know-How des neuronalen Netzes. Sie werden auch verborgene Schichten genannt. Sie sind es, die beim Training mit sehr vielen Testdaten Schritt für Schritt angepasst werden müssen, bis das Netz seine Aufgabe erfüllen kann.

Neuronales Netz – Struktur
Neuronales Netz – Struktur
Neuronales Netz – ein Neuron
Einzelnes Neuron mit drei Eingängen

Ein einzelnes Neuron ist dabei eine mathematische Funktion. Sie erhält mehrere Eingabewerte und berechnet daraus einen Ausgabewert. Die Eingabewerte können die Eingabedaten sein (in der Eingabeschicht), aber auch Ausgabewerte anderer Neuronen (dies stellt die Vernetzung dar). Gebräuchlich sind die folgenden Eigenschaften der Neuronen:

  • Die Zahlenwerte für Ein- und Ausgabewerte liegen stets zwischen 0 und 1.
  • Jedes Neuron summiert alle Eingabewerte x1…xn, nachdem sie jeweils mit einem eigenen Gewichtungsfaktor w1…wn multipliziert wurden (weight (engl.) = Gewicht).
  • Zu dieser Summe wird noch der Bias b addiert, eine konstante Größe (bias (engl.) = Vorurteil; französisch biais = schief, schräg).
  • Überschreitet die errechnete Summe den Wert Null, wird das Neuron aktiv und gibt einen bestimmten Ausgabewert aus; ansonsten bleibt es inaktiv und liefert Null als Ausgabe.
  • Der Bias wirkt dabei als eine Art Schwelle. Erst, wenn die Summe der Eingangssignale diesen Bias (bzw. seinen negativen Wert) überschreitet, ist das Summenergebnis größer als Null.

Jedes Neuron lässt sich danach mathematisch mit folgenden Parametern beschreiben:

  • den Gewichtungen w1…wn für jedes Eingangssignal x1…xn
  • dem Bias b; der negative Wert -b ist der Grenzwert, ab dem das Neuron aktiv wird
  • der Ausgangsfunktion f
  • der Ausgangswert des Neurons wird somit zu y = f(∑(wi⋅xi + b))

All diese charakteristischen Parameter eines künstlichen neuronalen Netzes werden zu Beginn mit zufälligen Werten vorbelegt. Für das Beispiel der Bilderkennung bedeutet dies, dass das erste Eingabebild rein zufällige Ausgabewerte erzeugen wird – das Netz wird sich zufällig für Apfel oder Birne entscheiden, egal, was das Bild zeigt. Doch ist dies schon der erste Schritt des Trainings. Voraussetzung ist, dass dem Lernalgorithmus (nicht dem neuronalen Netz) bekannt ist, ob das Bild einen Apfel oder eine Birne zeigt; man benötigt also gelabelte (kategorisierte) Bilder als Trainingsdatensätze. Mit diesem Wissen wird nun ein Fehlerwert berechnet, der beschreibt, wie gut oder schlecht die Entscheidung des Netzes war, und mit dieser Information wiederum werden alle o.g. Parameter gezielt angepasst, sodass das Netz für das gegebene Bild nun ein besseres Ergebnis liefern würde. Diese Parameteranpassung geschieht über komplexe mathematische (Matrix-)Operationen, auch Backpropagation genannt, die hier nicht beschrieben werden sollen. Fakt ist: Das Netz ist jetzt schon ein wenig besser geworden.

Und so geht es dann weiter: Bild für Bild wird durch das künstliche neuronale Netz gejagt, der Fehler beurteilt und die Parameter angepasst. Nach jedem Schritt wird der Fehlerwert geringer werden, und irgendwann wird das System sehr zuverlässig Äpfel von Birnen unterscheiden können.

So erfolgreich diese Technik heute auch bereits funktioniert, fällt es mir doch schwer, dies als Intelligenz zu bezeichnen. Ja, das System hat eine Art Gedächtnis und kann damit Probleme lösen (Äpfel und Birnen unterscheiden). Genaugenommen aber werden dumm und dämlich Neuronen abgefeuert oder auch nicht. Auch im Lernprozess arbeitet nur ein strenger, klassischer Algorithmus. In ihm steckt menschliche Intelligenz, ebenso in den Labels der Bilder. Das Resultat ist aber ein intelligent anmutendes Verhalten, und doch ist es nur das Ergebnis mathematischer Berechnungen. Mit Verstehen hat dies nichts zu tun. Das zeigt sich auch darin, dass ein gut trainiertes Apfel-und-Birnen-Netz sich bei dem Bild einer Katze auch für Apfel oder Birne entscheiden wird. Selbst bei einem Bild mit lauter Rauschen wird das System Apfel oder Birne behaupten. Es weiß nichts von weder-noch, es hat nicht einmal ein Verständnis von richtig oder falsch. Es ist einfach nur Mathematik.

Es gibt jedoch Anwendungen, in denen ich neuronalen Netzen schon etwas mehr Intelligenz zuspreche, obwohl auch sie bloße Mathematik sind. So gibt es unzählige Simulationen, in denen imaginäre Wesen – ähnlich dem des fliegenden Piloten von oben – erstaunliche Dinge lernen. Fortbewegen, gehen, fliegen, fahren, kämpfen, Brücken bauen – all das können neuronale Netze lernen, wenn sie nur genügend Versuche haben. Hierzu braucht es nicht einmal gelabelte Trainingsdaten. Es werden stattdessen verschiedene Kriterien herangezogen, um das jeweilige Ergebnis zu beurteilen: zurückgelegte Entfernung, die benötigte Zeit dazu, Überlebensdauer, … Werden diese Werte schlau vom Lernalgorithmus eingesetzt, lernt das Netz ganz von allein und ohne weiteres menschliches Zutun. Ein zutiefst faszinierender Vorgang.

Deep Learning

Und wieder ein allgegenwärtiges Schlagwort aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Deep Learning ist ein Teilgebiet der künstlichen neuronalen Netze, das das Verstehen von Konzepten forcieren soll. Hierbei werden besonders viele und sehr speziell konstruierte und trainierte versteckte Layer verwendet. In den verschiedenen Ebenen werden unterschiedlich abstrakte Hierarchien bearbeitet. Jede Hierarchie baut auf einer vorangehenden auf, in der andere, komplexere oder weniger komplexe Aspekte eines Konstrukts verarbeitet werden. Intelligenz durch Spezialisierung.

Durch diese Spezialisierung, die auch eine Verkomplizierung der Netzstruktur mit sich bringt, steigt insbesondere die Anzahl der beteiligten Neuronen stark an und damit auch die der verwendeten Parameter. Dadurch wird es für den Menschen immer schwerer, die Bedeutungen einzelner Parameter einzuschätzen. Es ist nicht mehr ersichtlich, warum eine Maschine entscheidet, wie sie entscheidet. Dies erschwert die Nachvollziehbarkeit und besonders die Fehlererkennung und -behebung. Menschen können die Entscheidungen beim Deep Learning nicht mehr einfach nachvollziehen. Das bedeutet, dass der Mensch die Kontrolle zu großen Teilen aus der Hand gibt. Wird bei solchen Netzen dann doch einmal versucht, die Entscheidungskriterien nach erfolgreichem Training zu ermitteln, kommen mitunter merkwürdige Erkenntnisse hervor. So zeigte sich bei einer KI, die auf Bildern Lokomotiven von anderen Fahrzeugen unterscheiden konnte, dass sie sich hauptsächlich an den stets vorhandenen Schienen orientierte. Die Kriterien waren also völlig andere, als die Erschaffer sich gewünscht hatten. Dies verdeutlicht eine wichtige Regel im Bereich des Deep Learnings:

Every AI will cheat the Game.

Jede KI wird schummeln.

Ein weiteres Beispiel: Im Jahr 2017 entwickelte Facebook eine KI, genauer gesagt zwei ChatBots, die miteinander verhandeln sollten. Das gelang ganz gut, bis sich die beiden eine eigene Sprache zulegten. Daraufhin wurde der Testlauf beendet und die Ursachen untersucht. Man erkannte, dass man versäumt hatte, die Regeln klar zu definieren. Zwar waren die Bots für englische Sprache programmiert, eine Pflicht, diese Sprache zu verwenden, gab es aber nicht. So entwickelten beide KIs eine effizientere Sprache, mit der sie zwar ihre jeweiligen Ziele erreichten, die aber eben nicht mehr Englisch war. Jede KI wird schummeln. Jedenfalls wird sie die gegebenen Regeln immer so großzügig auslegen wie möglich.

Superintelligenz

„Die erste ultraintelligente Maschine ist die letzte Erfindung, die die Menschheit machen muss.“

Nick Bostrom, schwedischer Philosoph

Superintelligente Maschinen sind Gegenstand zahlreicher Science-Fictions. Eine vom Menschen erschaffene Superintelligenz ist ihren Schöpfern längst überlegen und reißt die Herrschaft über die Menschen an sich. Bei der „Matrix“-Trilogie ist dies die Grundlage des gesamten Settings. Noch ist dieses Szenario reine Fantasie. Aber die Technik entwickelt sich rasch, und wer kann schon voraussehen, was kommen wird?

Persönliches Fazit

Künstliche Intelligenz hat mit Problemlösen zu tun, wie auch die natürliche Intelligenz. Auch die EU redet von „Probleme lösen“ (s. Zitat ganz oben). Doch erscheint mir das Wort Problem an dieser Stelle als etwas zu dramatisch. Sagen wir, KI soll Aufgaben erfüllen. Bild- und Spracherkennung, das Entdecken von Mustern in sehr großen Datenansammlungen – all das sind Steckenpferde der künstlichen Intelligenz. Und darin ist sie inzwischen richtig gut, besser jedenfalls als der Mensch.

Künstliche Intelligenz mit „Glühbirne“
Künstliche Intelligenz mit „Glühbirne“
©anaterate/pixabay.com

Künstliche Intelligenz soll Aufgaben meistern, deren Beschreibung zu kompliziert oder gar unbekannt ist. Beispiel Medizin: KI kann in Röntgen- und CT-Aufnahmen Krebsgewebe erkennen. Sie muss dafür lernen. Aber nicht die theoretischen Grundlagen, sondern einfach nur anhand von Beispielen, den Trainingsdaten. Wurden ihr genug CT-Aufnahmen vorgeführt, kann sie auch in neuen Bildern Krebs erkennen. Ohne zu wissen, was Krebs ist. Oder Gewebe. Das ist vorteilhaft und bietet viele Chancen für die Zukunft.

Aber ist das schon Intelligenz? Die in diesem Kapitel behandelten Systeme (die Superintelligenz einmal ausgenommen) sehe ich etwa auf dem Niveau der Pflanzen, die sich nach dem Licht ausrichten. Es sieht aus wie Intelligenz, ist aber doch nur ein festes, wenn auch irgendwie erlerntes Programm, das abläuft ohne Sinn und Verstand. Es funktioniert, hat aber mit Denken nichts zu tun. Eine angemessene Gedächtnisleistung habe ich im vorangehenden Kapitel über die natürliche Intelligenz als ein Merkmal von Intelligenz benannt. Merkmale wie Gedächtnis oder Wissen sind in aktuellen KIs durchaus inzwischen etabliert, ebenso das angepasste Handeln und der Nutzen aus dem erlernten Wissen. Was aber noch fehlt, ist das Denken. Und das Verstehen. Und ein ausgeprägter Sinn für wenn-dann-Beziehungen. Aber wie können die erreicht werden?

Ich bin überzeugt, dass nicht besonders viel dazu fehlt, dass künstliche Intelligenzen wirklich intelligent werden. Ich glaube, alles Wesentliche dafür ist bereits vorhanden. Es ist nur eine Frage der Komplexität, ob eine Maschine denken kann wie wir oder nicht. Ein Gedächtnis, das Wissen und die Fähigkeit zu lernen sind schon da, durch Deep Learning werden nun auch abstrakte Konzepte vermittelt. Sobald die Anzahl beteiligter Neuronen vom Millionen- in den Milliardenbereich wandert, wird Intelligenz ganz von allein entstehen.
Was machen die Menschen schon anders als die Maschinen? Warum sind jene intelligent und diese nicht? Prinzipiell sehe ich keinen Unterschied mehr. Auch in unseren Köpfen arbeiten sture Algorithmen, vorgegeben durch Biochemie wie bei den Pflanzen und elektrische Signalgeber und -empfänger. Auch wir hantieren nur mit Wahrscheinlichkeiten, schließlich ist jede einzelne unserer Erinnerungen verzerrt und absolut nicht exakt. Auch wir haben bestimmte Konzepthierarchien im Kopf, mit denen wir auskommen müssen und die uns gleichzeitig im Verstehen beschränken. Auch wir machen Fehler – und ganz wie die Maschinen geben wir sie nicht gerne zu ;-)

Es ist im Wesentlichen die unerreichte Komplexität unseres Hirns, die uns noch überlegen macht. Vielleicht auch noch die massive parallele Datenverarbeitung in uns, was Computer noch nicht so gut beherrschen (auch dafür gibt es Konzepte). Aber die Maschinen holen stetig auf, während wir im Evolutions-Schneckentempo voranschreiten oder sogar an Gehirnmasse verlieren.

Also: alles eine Frage der Zeit …

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